Rosa Lila Villa
Website: http://www.villa.at/
Adresse: Linke Wienzeile 102, 1060 Wien
Erste Aktivität: 1982 Zeitraum: seit November 1982 Status: aktiv
GESCHICHTE UND GEGENWART DER ROSA LILA VILLA
von Rudolf H. Katzer
DIE BASIS
Ende 1981 war es für uns zu eng geworden in der HOSI Wien. Wenn wir frech waren, mussten wir – verdiente Gründungsmitglieder, die wir waren – uns rechtfertigen vor den Vorständen! Als Florian Sommer die Aktion Neujahrskonzert ’82 plante, gingen sie gar auf Tauchstation.
Herr Sommer hatte sein Leben „der Revolution“ geweiht und wiegte sich seit Wochen auf den Wogen des internationalen Ruhmes seiner Aktion. Wir dachten an eine Wiederholung oder Prolongierung dieses Erfolges beim Opernball. Florian und Robert kamen für eine Aktion dieser Art natürlich nicht mehr in Frage, denn sie hätten erkannt werden können. Das war der Grund, warum ich mir 1982 dem Stress der Vorbereitungen für die Opernballaktion hingegeben hatte. Auch wenn der Erfolg beim Opernball nicht so großartig gewesen war, erreichten die Aktionen des ROSA WIRBEL schließlich, die Szene um die ROSA LILA VILLA unberechenbar zu machen. Das hat uns in den Verhandlungen mit zuständigen Behörden sehr geholfen.
DER AUFBAU
Es gab ein Abbruchhaus an der Linken Wienzeile, in dem bis auf einen alten Mann und zwei kleine Büros alle Mieter abgesiedelt worden waren. Die Gemeinde wollte hier eine Parkgarage errichten. In der Stadt gab es noch Hunderte andere Abbruchhäuser im Eigentum der Gemeinde Wien. In einigen davon hatte die rote Gemeinderegierung junge Leute sich ansiedeln lassen, irgendwelche Chaoten, die sonst vielleicht öffentliche Randale veranstaltet und selbsttätig Häuser besetzt hätten, wie das in anderen Metropolen Europas damals zu beobachten war.
Der Magistrat taufte seine schlaue Aktion „legale Instandbesetzung“. Mit einem großen schönen Altbau in der Liniengasse war allerdings eine kleine Panne passiert: zuerst war er den Autonomen versprochen worden und dann änderte die Gemeinde ihre Pläne. Den Lästigsten der frustrierten Wohnungsanwärter/innen wurden Notquartiere im Haus an der Linken Wienzeile angeboten. Und siehe da: die entpuppten sich als Schwule und Lesben, die gleich das ganze Haus in Besitz nahmen und drei Monate später eine Beratungsstelle für homosexuelle Frauen und Männer eröffneten.
Dazu hatten wir eine Menge Presse eingeladen und einige Zeitungen hatten Journalist/innen geschickt: das „profil“, die „Arbeiterzeitung“ und andere. „Wir bitten zum Tanz“ war unser Motto und „von Hausbesetzer/innen zu Hausbesitzer/innen“ unser Programm. „Permanent öffentlich alternativ zu leben“ sahen wir als ein Medium, unsere Anliegen zu transportieren. Was wir wollten war individuelle, lustvolle Politik, als Alternative zur parteigebundenen.
Im November 1982 konstituierten wir uns als Selbsthilfe-Gruppe, ohne die öffentliche Hand aus ihrer Verantwortung zu entlassen. Die ROSA LILA VILLA sah ich nie als Konkurrentin der Homosexellen Initiative, sondern als Ergänzung. Ich fand die Arbeit der HOSI Wien, ihre Politik der zähen Verhandlungen und zermürbenden Gespräche in Vorzimmern von Ministerien oder Staatssekretariaten gut und wichtig, aber das war nicht unsere Sache. Müßig darüber zu streiten, wessen Konzepte die „politischeren“ oder effektiveren sind!
Als wir am 18. Oktober ’84 die ROSA LILA VILLA mittels Baurechtsvertrag in Eigentum auf 30 Jahre von der Gemeinde Wien übernahmen, knüpften wir daran die Bedingung einer jährlichen Subventionierung unserer Einrichtungen Lesben- und Schwulenberatung und Bibliothek in der Höhe von 350.000 Schilling , ein lächerlich geringer Betrag in Relation zu einer vergleichbaren sozialen Einrichtung der Gemeinde Wien, wie z.B. einer Familienberatungsstelle mit bedeutend weniger Konsultationen. Diese Zusage wurde allerdings nie eingehalten.
DER ALLTAG
Obwohl wir in den ersten Jahren viel Arbeit, Zeit und Geld in die Reparatur des Abbruchgebäudes gesteckt hatten, wurde eine Totalsanierung, insbesondere der Fassade, immer dringlicher. Zum Einen das Baurecht und zum Anderen dass es sich bei der R.L.V. um einen Wohnbau handelte, versetzte uns in die Lage, die Sanierung eigenverantwortlich mittels eines Kredits durchzuführen, der - im Rahmen des Wiener Wohnbausanierungsgesetzes ’84 - Zuschüsse von Land und Bund erhielt. Viel Spaß hatten wir natürlich mit der Totalräumung des Hauses, unseren privaten Umzügen und der gleichzeitigen Übersiedelung des ROSA LILA TIP in Räume der GRUWIFAK in der Wasagasse, des Weiteren mit der Bauaufsicht und endlich der Rück-Siedelung unseres Krempels, sowie mit der Neuorganisation und Neustrukturierung des Hauses. Wir gehörten nämlich – laut damaliger HOSI-Definition – zur Spaß- und Kommerzfraktion.
Wir errichteten ein Vereinslokal, nannten es WILLENDORF und übergaben es einem selbstverantwortlichen Kollektiv mit der Auflage, das Lokal professionell zu führen und gute, gesunde und preiswerte Küche zu bieten. Wir schreckten nicht davor zurück, unsere Einkünfte durch den Verkauf von Coca Cola zu vermehren, was es im WARMEN NEST – unserem kleinen Kommunikations-Café vor der Sanierung – aus politischen Gründen nicht gegeben hatte. Das Kollektiv hat manche aufgerieben, insbesondere denke ich dabei an Siegfried/Anton Felder, der am 17. September ’89 an den Folgen von HIV verstarb und an Much Oberschmied, der Siegi um einige Jahre überlebte. Das Kollektiv hatte sich zum Chefkollektiv gewandelt, bestehend zuerst aus drei Personen und dann aus zwei. Das Lokal ist inzwischen größer und schöner geworden. In Mike und Andreas hat der Verein ROSA LILA TIP zwei engagierte Mieter gefunden.
GEGENWART UND ZUKUNFT
Seit 1996 sind Lesben- und Schwulenberatung in der R. L. V. räumlich getrennt. Die Frauen sind im Erdgeschoss geblieben und die Männer in den ersten Stock gezogen. Auch die Anforderungen an Informations- und Beratungsstellen haben sich gewandelt. Heute bieten Internet und Chat für Viele ein weites Feld, an Informationen zu kommen und sich auszutauschen. Dass damit aber nicht alle Bedürfnisse abgedeckt werden, insbesondere die nach realer Begegnung, zeigt der Zulauf, den die Lesbenberatung zu verzeichnen hat. Sie ist mehr als eine Anlaufstelle für Frauen „mit Problemen“, nämlich ein Ort, wo engagierte Frauen sich zwanglos treffen können.
Insbesondere für schwule Männer bietet die Szene immer vielfältigere Möglichkeiten Spaß zu haben und Geld auszugeben, was in unserer Gesellschaft bekanntlich als eine der lustigsten Beschäftigungen überhaupt gilt. Wir wollen den Spaß erweitern, indem wir die Möglichkeit des lustvollen Mitgestaltens vermehren. In der Schwulenberatung im ersten Stock ist für Sonntag Abend ein Jourfixe mit Filmvorführungen angedacht worden, freitags gibt’s die Jugendgruppe COMMON MOTION, jeden 2. und 4. Montag im Monat die Transgendergruppe MIKE’S TRANSFER, jeden 1. Montag und 3. Mittwoch im Monat die Gruppe TRANS X. Jeder zweite Dienstag ist für die Gruppe HOMOSEXUELLE UND Glaube (HUG) reserviert und das RECHTSKOMITEE LAMBDA bietet jeden Donnerstag zwischen 19:00 und 20:00 Uhr unentgeltliche Rechtsberatung an. Das Plenum der Lesbenberatung findet jeden Montag Abend ab 20:00 statt, die Schwulenberatung trifft sich dienstags.
Die Villa ist dabei, sich innen und außen zu verändern. Wer Lust hat, an diesen Veränderungen mitzuwirken, ist herzlich willkommen.
Text: http://www.villa.at/rlvilla/h_gesch.html