Dieter Schrage: GAGA



Mit dem Ringen um das autonome Kulturzentrum Gassergasse (1050 Wien) kommen wir zu einer Form des Häuserkampfes, bei dem nicht die Besetzung im Mittelpunkt der Aktion steht. Die Mittel der Auseinandersetzung sind Demonstrationen, Info-Tische, Flugzettel-Aktionen, Sitzstreiks, Medienarbeit, Interventionen, Verhandlungen und vieles andere. Auf diesem Wege wurde auch die GAGA in einem stillgelegten Areal der Wiener Öffentlichen Küchen (WÖK) in der Gassergasse in Margareten errungen. Träger dieses Häuserkampfes war eine Gruppierung, die im wesentlichen aus der Burggarten-Bewegung hervorgegangen war. Verbunden mit dieser Bewegung war auch eine Initiative zur Errichtung eines Rockhauses.

GAGATrägerverein: Verein zur Schaffung, Förderung und Unterstützung selbstverwalteter Kultur- und Kommunikationszentren. Über den Beginn der Gaga wurde in einem internen Papier geschrieben: „Das erste Plenum findet am Mittwoch, dem 25. März 1981 in einem größeren Raum statt; es sollte zur wöchentlichen Einrichtung werden. Ärgere Streitereien über Raumvergabe und Personen waren vorauszusehen. Die ersten Arbeitsgruppen (rund 15) werden vom Plenum beschlossen, u.a. Kunstwerkstätten, Fahrradverleih, Info, Bibliothek, Stadtwerkstatt, Schule, Kinderladen, Video und Foto, Druckerei, Zivildienst, Rechtsberatung, Beisl, ...”
Eröffnet wurde das Autonome Kulturzentrum Gassergasse am 1. Mai 1981 mit einem dreitägigen Fest, bei dem sogar eine Polizeimusikkapelle aufspielte. Eine polizeiliche Erstürmung des Areals in der Nacht vom 26. auf den 27. Juni 1983 brachte das Ende der GAGA.

Mit Erlaubnis des Autors leicht editierte Auszüge aus Dieter Schrage: Gegenkultur, autonome Jugendkultur in Wien seit 1945 (unveröffentlichtes Manuskript)

FREIRAUM GAGA
von Christian Schreibmüller

Schon mit dem Mythos, das Haus besetzt zu haben, brachte der Anteil ehemaliger Burggarten-"Rasenfreiheit"-Aktivisten in das Kultur- und Kommunikationszentrum Gassergasse, "GAGA", das Feeling, exterritorial in einem "rechtsfreien Raum" zu agieren. Wobei der Klang des Adjektivs "rechtsfrei" auch alles etwaige Faschistoide des übergeordneten Staatswesens in diesem nur ein Haus umfassenden Staat im Staate auszuschließen schien.
Allein dieses Bewusstsein ermutigte "Gagaisten", Schritte zu wagen, die mittlerweile "autonomes" Szene-Gemeingut geworden sind. Doch 1981 war es keineswegs selbstverständlich, Schwulengruppen zu integrieren, Kindern eine autoritätskritische Erziehung angedeihen zu lassen und eine realitätsorientierte, flexible Drogenpolitik zu betreiben.
Abgesehen davon brachten die Punks, die aus allen ach so liberalen Kulturzentren rausgeflogen waren, eine Art Matriarchat mit. Wahrscheinlich nur, weil in einer im Schnitt 16 Jahre alten Menschengruppe Mädchen weiter entwickelt sind als Burschen. Aber immerhin. Die GAGA hatte in allen entscheidenden Gremien mindestens so viele Frauen wie Männer sitzen, ohne Ideologien zu bemühen.
Am angenehmsten war in der GAGA überhaupt das unbürokratisch Unideologische, sie war libertär. So sehr, dass der Staat, der darauf gehofft hatte, die Anarchos würden sich in diesem Haus mit ihren Egoismen gegenseitig zerfleischen, dem Experiment eventuell auch deshalb ein Ende bereitete, weil es hätte zeigen können, dass es ohne Bürokratie und Staatsgewalt eben auch geht.
Und der Staat hat sich nichts Gutes getan mit der Schleifung der GAGA (1983). Die Aktivisten schwärmten, - auch schon während der Existenz der GAGA - überallhin aus und waren entscheidend mitbeteiligt an der Gründung der "Rosa Lila Villa", der "Schule Hofmühlgasse", dem "Planet Music", den autonomen Häusern in der Spalowski- und Ägidigasse, dem Kunstzentrum Zieglergasse, den besetzten Häusern in Thurnergasse und Myrthengasse, etc. Es ging nicht gut aus mit der GAGA, aber sie konnte sich vermehren.

Aus: FreiBESETZT