Bettina Köhler: Soziale Kämpfe in der neoliberalen Stadt



Eine Konferenz zieht Bilanz und zeigt Perspektiven

Auseinandersetzungen um (kapitalistische) gesellschaftliche Verhältnisse verliefen immer auch über Auseinandersetzungen um konkrete Formen der Produktion von Raum – sehr oft von urbanem Raum. Dies durchaus nicht erst seit den oft mit Neoliberalismus umschriebenen profunden Restrukturierungen der 1980er Jahre – sie erfahren jedoch in dieser Phase eine Dynamisierung und nehmen spezifische Formen an. Insofern war die „neoliberale Stadt“ in den letzten Dekaden zentraler Bezugspunkt, deren konkreten Ausdrucksformen, wie bspw. unternehmerische oder revanchistische Stadtpolitik, mit kritischen Analysen und unterschiedlichen Protestformen begegnet wurde.

Auf der Konferenz „Right to the City – Soziale Kämpfe in der neoliberalen Stadt“, die vom 11.-13.4.2008 in Berlin stattfand, trafen sich StadtforscherInnen und AktivistInnen, um Erfahrungen, Zwischenbilanzen und Perspektiven „sozialer Kämpfe in der neoliberalen Stadt“ zu reflektieren. Erklärtes Ziel der Veranstaltung war es auch, die eigenen „Widersprüche nicht unter den Tisch zu kehren“ und die Arbeitsweisen von städtischen Bewegungen selbst zu problematisieren.

Linker Neoliberalismus in der (Sozialen) Stadt?

Einfache Zuordnungen sind unter heutigen (neoliberalen) Bedingungen nicht mehr leicht möglich: Neoliberal agieren nicht mehr nur „die anderen“, etwa Investoren von Großprojekten, private Wachschutzdienste oder Stadtregierungen.

Wenn Eigenverantwortlichkeit, Kreativität und Flexibilität zu zentralen Standortfaktoren werden, lassen sich die in emanzipatorischer Absicht artikulierten Forderungen nach Selbstorganisation, Freiraum, Autonomie oder gar Partizipation leicht in Herrschaftskonzepte integrieren und wirken dann selbst als „Türöffner und Motor des gesellschaftlichen Umbaus“. So werden linke subkulturelle Projekte häufig selbst ein Faktor in urbanen Aufwertungsprozessen. Kontroverse Erfahrungen wurden auch hinsichtlich der Frage des Umgangs mit staatlichen Institutionen und Instrumenten der Stadtentwicklung zusammengetragen.

Es zeigte sich, dass die (partielle) Institutionalisierung vormals emanzipatorischer Forderungen – etwa nach Mitspracherecht – durchaus für einzelne AkteurInnen kleinräumige Spielräume und Grenzverschiebungen ermöglicht; dass jedoch auf Mängelverwaltung ausgerichtete Instrumente wie Quartiers- bzw. Grätzelmanagement, aufgrund struktureller Defizite und Machtungleichgewichte, insgesamt wenig Potenzial für grundlegende Veränderungen haben. Darüber hinaus wurde vielmehr gefragt, was denn überhaupt von der lokalen Ebene zu erwarten sei und wie sich lokale Kämpfe hier mit lokalen Kämpfen an anderen Orten sowie anderen räumlichen Ebenen verknüpfen ließen.

Recht auf Stadt

Verschärfende gesellschaftliche Prekarisierungs- und Spaltungsprozesse schlagen sich in spezifischen Formen der Produktion von gesellschaftlichem Ausschluss im urbanen Raum nieder. Angeregt vom Konzept des „Rechts auf Stadt“, wie es der französische Soziologe Henri Lefebvre entwickelte, wurden Gestaltungs- und Aneignungsmöglichkeiten durch die StadtbewohnerInnen selbst hinterfragt. Weltweit beziehen sich sehr unterschiedliche Gruppierungen mit teils recht konkreten Forderungen auf dieses Konzept, weshalb seiner generellen Vagheit utopisches Potenzial aber auch unspezifische Vereinnahmbarkeit attestiert wurde.

Die Stadt bleibt Beute – Erfahrungen im Widerstand gegen Großprojekte

Während viele Einschränkungen von Freiräumen kleinteilig stattfinden, auf vielfältige Weise Alltagspraxen restrukturieren und zumeist dezentrale Formen der Auseinandersetzung hervorrufen, erfolgen weiterhin auch großräumige Enteignungen oder „Entöffentlichungen“ von urbanem Raum.

Wie die Privatisierung großer öffentlicher Wohnungsgesellschaften und Beispiele des hochsubventionierten Überlassens von großräumigen städtischen Arealen an private Investoren zeigen, sind dabei Verweise auf leere Staatskassen und Trickle- Down-Versprechungen auch in so genannten „strukturschwachen“ Regionen nach wie vor erfolgreich. VertreterInnen von Kampagnen gegen Großprojekte aus Hamburg und Berlin machten angesichts ihrer Erfahrungen an stadtpolitischer Praxis deutlich: Zum einen wird die Umgestaltung urbanen Raums zunehmend selbstbewusst mit der Frage „Wem gehört die Stadt?“ auf den Punkt gebracht und politisiert. Zum anderen ergeben sich zahlreiche Schwierigkeiten der Bündelung letztendlich äußerst heterogener Interessen und Betroffenheiten sowie die Frage, wie sich dauerhafte Strukturen aufbauen lassen.

Bilanzen und Perspektiven – bleibt die Stadt Risikokapital?

Der reflektierende Rückblick auf vergangene Dekaden verdeutlichte das Ausmaß diverser Normalisierungs- und Gewöhnungsprozesse, Themenverschiebungen und oftmals heterogene bzw. „brüchige“ SprecherInnen- und Akteursperspektiven. Insgesamt zeigten sich aber vor allem erhebliche Erfahrungsgewinne und Reifungsprozesse hinsichtlich erprobter Aktionsformen sowie einer produktiven Bereitschaft, sich mit den eigenen Widersprüchlichkeiten auseinander zu setzen, ohne dadurch die Lust auf weitere Schritte in Frage zu stellen.

Right to the City – Soziale Kämpfe in der neoliberalen Stadt
Veranstaltet vom Arbeitsschwerpunkt Stadt-Raum (ASSR) der BUKO in Kooperation mit der rls

Peter Birke, Chris Homsted Larsen (Hg., 2008): Besetze Deine Stadt! BZ din by! Stadtentwicklung und Häuserkämpfe in Kopenhagen. Assoziation A.

Mayer, Margit (2007): Recht auf Stadt. In: Brand, Ulrich; Lösch, Bettina; Thimmel, Stefan (Hg.): Das ABC der Alternativen. Hamburg: VSA, 190-191.

Dérive 31 (2008): Schwerpunkt: Gouvernementalität

http://www.malmoe.org/artikel/widersprechen/1612